Das Zurückgewinnen von Selbstliebe und Lebendigkeit mit Hilfe einer potenzialentfaltenden Beziehungskultur

»Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst«, heißt es in der Bibel. Ein indischer Guru hat diesem Bibelzitat hinzugefügt:
»Bitte tu das deinem Nächsten nicht an, was hat er dir denn getan?«
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Schwierigkeit anderen Menschen von Subjekt zu Sub­jekt zu begegnen, vor allem deshalb besteht, dass wir uns selber als Objekt behandeln. Das tun wir immer dann, wenn wir uns selber mit unseren eigenen Impulse verleugnen, um anderen zu ge­fallen und es anderen Recht machen wollen, um geliebt zu werden. Wir fühlen uns abhängig vom Nicken der anderen und sind dafür bereit, uns selber zu Objekten zu degradieren, welche diesem Gefallenwollen dienen. Nur, wie soll es uns so gelingen, anderen Menschen als Subjekt wahrzu­nehmen und ihnen auf Augenhöhe empathisch zu begegnen, wenn wir nicht über das Instrumen­tarium verfügen, uns und unsere Empfindungen und Impulse selber wahrzunehmen und – ganz wichtig – unseren Wahrnehmungsapparat in Resonanz mit dem Ausdruck anderen Menschen zu bringen? Das Zuruckgewinnen von Selbstliebe und Lebendigkeit

Gerald Hüther im Gespräch mit Holger Gohla

Er zählt zu den bekanntesten deutschen Hirnforschern. Praktisch befasst sich Gerald Hüther in verschiedenen Initiativen und Projekten mit neurobiologischer Präventionsforschung. Heute plädiert der Göttinger Wissenschaftler für „mehr Hirn“. Darunter versteht er vor allem die Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten. Überhaupt lerne der Mensch am besten, wenn er mit Leidenschaft bei einer Sache sei und etwas unter die Haut gehe. Er plädiert jedoch nicht dafür, unsere Gehirne noch mehr anzustrengen, sondern besser als bisher zusammenzuwirken. Zum Interview

Etwas mehr Hirn, bitte

 Eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten

Die Freude am eigenen Denken und die Lust am gemeinsamen Gestalten sind die großen Themen dieses Buches. Der Biologe Hüther macht deutlich: Jedes lebende System kann das in ihm angelegte Potential am besten in einem koevolutiven Prozess mit anderen Lebensformen zur Entfaltung bringen. Oder einfacher: Gemeinsam kommen wir weiter als allein. Und finden zurück zu dem Lebendigen, das uns ausmacht: zu neuer Kreativität, zum Mut zu sich selbst und zu persönlichen Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir verfügen über Talente und Begabungen und ein zeitlebens lernfähiges Gehirn, das für die Lösung von Problemen optimiert ist. Wir können Erfahrungen anderer übernehmen und über Generationen weitergeben.